*tnd*ente*103*
Ente:
Heute begrüße ich – wie immer unter Pseudonym – Prof. Dr. Klöbner (we/they) von der GSU, der Gendersensiblen Schüla° Union und Dr. Müller-Lüdenscheid (we/they) von vau, der Verlag für Selbstverlega°.
An dieser Stelle kurz der Hinweis: viele beim morgenjournal.eu entgendern auf a° für alle. Wir sind uns bewusst, dass das ebenso wenig perfekt ist, wie alle anderen Formen, es kommt aber von Herzen.
Zu unserem heutigen Thema:
Entgendern auf -a° für alle.
Wer hat sich das ausgedacht und was steckt dahinter?
Prof. Dr. Klöbner:
Entgendern heißt, ein Wort auf den Wortstamm zu verkürzen, so dass es weder männlich noch weiblich ist, sondern geschlechtsneutral.
Diesen Gedanken hatten schon mehrere Menschen. So halbwegs bekannt geworden ist damit Hermes Phettberg. Phettberg war ein österreichischer Moderator und Multitalent, der leider im Dezember 2024 verstorben ist. Seit 1992 hat er eine wöchentliche Kolumne im Falter geschrieben und dort eben entgendert, allerdings auf -y, wie Arzty.
Dr. Müller-Lüdenscheid
Als Söda dann 2024 in Bayern ein Genderverbot erlassen hat, kam irgendjemand auf die Idee, ihn beim Wort zu nehmen und künftig alles zu entgendern. Aber Schüly und Lehry klang nicht nur ungewohnt – was gut war – sondern auch albern – was gar nicht gut war.
Wir wollten ja nicht ausgelacht, sondern ernstgenommen werden.
Irgendwer meinte dann im Scherz, wir sollten einfach auf -a° für alle entgendern. Da könnte man eine Pressekonferenz von Söda und Eiwanga nehmen und mit entgenderten Untertiteln versehen, weil die beiden das Wort ‘Bürger’ ja wie ‘Bürga’ aussprechen.
Ente:
Ernstgenommen werdet ihr aber auch damit nicht immer. Mir sind da jedenfalls schon einige hämische Kommentare untergekommen.
PDK:
Sprache ist ein sensibles Thema. Bei vielen Menschen rütteln wir an den Grundfesten ihrer Überzeugung. Für die gibt es Mann oder Frau, gut oder böse, Himmel oder Hölle. Die wollen sich nicht mit dem Thema beschäftigen und reagieren aggressiv, wenn die Sprache sie dazu zwingt, das Thema wahrzunehmen.
DML:
Wir bekommen aber auch sehr viel positives Feedback. Gerade von trans Menschen. Das Gendern mit Gendersternchen, Unterstrich oder Doppelpunkt reduziert diese Gruppe in vielen Augen auf ein Satzzeichen. Beim Binnen-I wird das trans sogar ganz verschluckt und es stehen wieder nur die männliche und weibliche Form da.
PDK:
Tatsächlich denken viele, bei diesen klassischen Formen des Genderns ging es nur darum, Frauen sichtbarer zu machen. Die stecken das Thema in die Schublade Feminismus.
Viele Frauen sagen, sie bräuchten diese Verschandelung der Sprache nicht, sie fühlten sich mit dem generischen Maskulin mit angesprochen. Die sind so in ihrer binären Gedankengewalt gefangen, so sehr auf Mann-Frau-Denken geprägt, die begreifen nicht, dass es trans Menschen gibt. Entsprechend ist da keinerlei Bewusstsein, wie schmerzhaft es ist, sich durch Worte wieder und wieder von der Gesellschaft ausgeschlossen und abgelehnt zu fühlen.
Ente:
Wie kann ich mir das Entgendern auf -a° für alle im Alltag vorstellen?
DML:
Erfreulich einfach.
Gesprochen, in dem das -a° klarer betont wird. Bürgaaah, statt Bürger.
Geschrieben wollen wir bewusst keine Regeln vorgeben. Sprache hat ja die Kraft, sich selbst zu entwickeln. Wir setzen also nur den Gedanken in die Welt und überlassen es der Zeit, daraus eine neue Grammatik zu bilden.
PDK:
Es hängt auch immer vom Wortstamm ab, was Sinn macht und vernünftig klingt.
1 Bürga°, 2 Bürga°
1 Beamta°, 2 Beamtae°
Bei Worten wie Arzt, bei denen der Wortstamm gleichzeitig das generische Maskulin ist, gibt es mehrere Ansätze.
Arzt°
Arzta°
Arzty°
Arzti°
Uns gefällt am besten, diese Worte generell im Plural zu verwenden: Ärztae°.
Ente:
Wofür steht der Kringel, das ° hinter dem a?
PDK:
Das darf man eigentlich gar nicht erklären, sonst löst sich die Magie auf.
DML:
Hilft nix, das fragt ja jeda°.
PDK:
Also, wenn du das Zeichen für männlich ♂ und das Zeichen für weiblich ♀ miteinander vergleichst, dann bestehen beide aus einem Kreis, an den mal dies, mal das angefügt wird.
Nur der Kreis allein, verrät nicht, um welches Geschlecht es geht, ist also quasi entgendert.
Mit dem Argument war es nur noch ein kleiner Schritt, bis wir die Tastatur-Hersteller dieser Welt dazu überreden konnten, dem Entgendern-auf-a-Kreis einen Platz auf den Tastaturen einzuräumen.
Ente:
In echt? Gibt es den auf allen Tastaturen?
DML:
So gut wie.
Allerdings nicht dank unseres unermüdlichen Einsatzes für eine gendersensible Sprache. Den Kreis verdanken wir Anders Celsius, der 1742 die Skala von kochendem zu gefrierenden Wasser in 100 Grade unterteilt hat.
Der Kreis ist das internationale Zeichen von Grad und weil Menschen das Wetter wichtig ist, weil Menschen gerne kochen, weil also immer und überall über Temperaturen geschrieben werden muss, findet sich der Grad-Kreis auf fast allen Tastaturen.
Ente:
Was wünscht ihr euch vom Entgendern auf -a° für alle?
DML:
Da es in vielen Fällen die Silbenzahl nicht verändert – sowohl Schüla° als auch Schüler hat jeweils zwei Silben, Schüler*innen hat vier – hoffen wir, dass es besser angenommen wird.
Ein gedanklicher Stolperstein ist wichtig, damit das Thema bewusst wird. Wenn sich die Silbenzahl ändert, ändert sich aber auch das Versmaß. Die meisten Menschen sind sich gar nicht bewusst, dass auch alltägliche Texte wie Zeitungsartikel und Rundschreiben ein Versmaß haben können. Gängige Floskeln sind uns mittlerweile so vertraut, wie bewusst auswendig gelernte Gedichte. Da werden dann ein, zwei zusätzliche Silben als störend wahrgenommen.
PDK:
Und wir wollen ja nur ein Bewusstsein schaffen, nicht stören.
Wir wollen zum Nachdenken anregen, nicht zwingen.
DML:
Wir sind dem morgenjournal.eu dankbar, dass es den Versuch gestartet hat, das Entgendern auf -a° für alle durchs ganze Blatt hindurch als Standard zu empfehlen.
Als Nächstes suchen wir jetzt Künstla°, die Kurzgeschichten in unserem Format entgendern.
PDK:
Sichtbar werden.
Alltäglich werden.
Ente:
Dann starten wir doch hier und jetzt einen Aufruf: Wer uns eine Kurzgeschichte schicken will, gerne an dasMo@morgenjournal.eu.